Stellungnahme zur Personalführung in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern aus dem Jahre 1998

In unserer Landeskirche sind gegenwärtig Bestrebungen im Gange, die eine bessere Personalführung und -begleitung zum Ziel haben. Entsprechende Anregungen der Kirchenleitung und anderer Stellen werden zur Zeit auf den verschiedenen Ebenen diskutiert.

Der Bruderrat der Bayerischen Pfarrbruderschaft hat sich mit den damit verbundenen Fragen beschäftigt und stellt dazu fest:

  1. Überlegungen, die eine Intensivierung der Personalführung zum Ziel haben, gehen von der richtigen Erkenntnis aus, dass "episkopein" (darauf schauen) eine zentrale Leitungsaufgabe in der Kirche Jesu Christi ist. Pfarrerinnen und Pfarrer sowie alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen erfahren, dass sie als Personen beachtet und geachtet werden, dass auf sie geschaut und ihre Arbeit gewürdigt wird. Es stärkt die Motivation und unterstützt die Arbeit, wenn in regelmäßigen - nicht dem Zufall überlassenen - Abständen Erfolge und Misserfolge, Stärken und Schwächen, Freuden und Leiden im jeweiligen Arbeitsfeld Gegenstand eines Gesprächs sind.

  2. Den Vorschlag, die bisherige Beurteilungspraxis zu ersetzen durch Jahresgespräche und ein Standortgespräch im Abstand von fünf Jahren halten wir für bedenkenswert. Die dafür vorgesehen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen, wie sie etwa dem Beitrag von Oberkirchenrat Peschke in der Juli-Nummer des Korrespondenzblattes (1998) zu entnehmen sind, bedürfen allerdings der weiteren Diskussion.
    • Wir sehen die Gefahr, dass die darin intendierte Aussage zu "Beförderung und Besoldung" eine Dominanz bekommen kann, die sich nicht nur auf das Standortgespräch hinderlich auswirkt, sondern auch die nötige Offenheit der Jahresgespräche behindert. Das trifft insbesondere dann zu, wenn Jahresgespräche und das Standortgespräch mit derselben Person (Dekan/Dekanin) geführt werden.
    • Wir sehen weiter die Gefahr einer deutlichen Überlastung der Dienstvorgesetzten, insbesondere der Dekaninnen/Dekane in großen Dekanaten. Eine Intensivierung der Personalführung muss eine spürbare Entlastung in anderen Aufgabenbereichen zur Folge haben. Die Entlastung durch stellvertretende Dekane scheint zu wenig gewährleistet zu sein, so lange deren Stellung sowohl in der Öffentlichkeit als auch im kirchlichen Binnenverhältnis reichlich vage und wenig abgesichert bleibt.

  3. Grundsätzlich mahnen wir an, die Diskussion stärker an ekklesiologischen Gesichtspunkten zu orientieren.
    • Wichtige Impulse sind für uns der neutestamentliche Sprachgebrauch von den Charismen und von der Gemeinde als "Leib Christi" (1.Kor 12). Die Orientierung daran wird uns zur Vorsicht mahnen, innerhalb unserer Kirche allzu unbefangen Vorstellungsmuster wirksam werden zu lassen, die in außerkirchlichen Bereichen ihre Berechtigung haben mögen. Wir werden daran erinnert, dass das kirchliche Amt nicht nur ein bezahlter Beruf ist. Vielmehr will der Heilige Geist durch das Amt im Leben der Gemeinde wirksam sein.
    • Wir sind uns durchaus bewusst, dass eine einseitige Ableitung aus christozentrischen Modellen kurzschlüssig ist. Aber wir wenden uns dagegen, das notwendige Spannungsverhältnis zwischen den Fakten (Effektivität der Arbeit, Karriere Besoldungsmaßstäbe usw.) und dem eigenständigen geistlichen Profil des Amtes zugunsten einer der beiden Richtungen aufzulösen.
    • Die in unserer Kirche inzwischen recht unbefangen gebrauchten Begriffe wie Karriereplanung, Unternehmen Kirche, Kundenorientierung usw. dürfen nicht unkritisch übernommen werden. Zum Geistlichen Amt, dessen Aufgabe es ist, den gekreuzigten Christus zu verkünden, passen solche Begriffe nicht. Die gegenwärtigen Bestrebungen scheinen uns auf eine "Zwei-Reiche-Lehre" innerhalb der Kirche hinauszulaufen, in der die kirchlichen Ämter und Berufe dem "Reich zur Linken" zugeordnet werden. Das wäre hochproblematisch.
    • Anleihen bei außerkirchlichen Vorstellungsmustern halten wir nur dann für legitim, wenn diese zu den Grundlagen von Schrift und Bekenntnis in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden können. Ideologische Fremdbestimmung lehnen wir ab.

  4. Es ist darauf zu achten, dass "episkopein" als kirchenleitende Aufgabe (vgl.1) nicht nur diejenigen in den Blick nimmt, die in einem bezahlten Beschäftigungsverhältnis in der Kirche und somit auch in Abhängigkeit stehen. Die Aufgabe der Visitation der Kirchengemeinden - und eben nicht nur einzelner Personen in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern - bedarf der Stärkung. Darüber hinaus verstehen wir "episkopein" nicht nur als einen Vorgang von oben nach unten. Auch Menschen in leitenden Ämtern bedürfen der Würdigung ihrer Arbeit. Andernfalls würde es zu einer problematischen hierarchischen Einengung des Denkens und der kirchlichen Praxis kommen.

Im Auftrag des Bruderrats der Bayerischen Pfarrbruderschaft:

Dr. Karl Eberlein
Dr. Holger Forssman
Michael Höchstädter