Thema: Angst predigen?
Rechte Christinnen und Christen in Kirche und Gesellschaft"
Referentin: Liane Bednarz
Digitale Pfingsttagung der Pfarrbruderschaft
Bericht des Seniors zur Mitgliederversammlung an der Pfingsttagung am 23. Mai 2021
Liebe Schwestern und Brüder,
1. Seit über einem Jahr war die Arbeit auch in unserer Theologischen Weggemeinschaft durch die Pandemiesituation beeinträchtigt.
Bis zur Januartagung dieses Jahres hat uns die Situation insofern umgetrieben, als wir – wie alle Veranstalter – hin und hergerissen warenzwischen Hoffnung und Ernüchterung. Unsere Weggemeinschaft möchte ja nicht nur eine theologische, sondern auch eine geschwisterliche Weggemeinschaft sein; deshalb lebt sie von der persönlichen, leiblichen Begegnung; biblisch gesehen hat die Leiblichkeit von Begegnungen nach meiner Auffassung eine überragende Bedeutung.
Die letzte Tagung, in der diese Dimension verwirklicht war, fand Januar 2020 in der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg statt, mit sehr großem Zuspruch.
Tagungsbericht und meine Einschätzungen zum Ertrag stehen immer noch auf unserer Internetseite.
Vor der Januartagung mit unserem Kollegen Thomas Zeidler zur Frage nach möglichen Widerstandsformen im Angesicht der Klimakatastrophe hatte ich noch voller Hoffnung angekündigt: „Mit einem großen Tagungsraum – nämlich im LUX – erwarten wir, dem Virus trotzen zu können“, doch die staatlichen Regelungen und ein Inzidenzfaktor von zeitweise 400 in Nürnberg machten dieses Vorhaben unmöglich.
Dieses Wechselbad der Gefühle wollten wir uns für die Pfingsttagung ersparen. Die Pfingsttagung ist schließlich auch immer eine familiäre Tagung.
Unabhängig davon stellte sich die Frage nach einer Präsenztagung auch faktisch nicht, weil unser Tagungshaus bis vor kurzem noch geschlossen war; damit konnte man einfach nicht planen.
2. Nun haben wir das Tagungsthema mit Liane Bednarz ja vom letzten Jahr in dieses hineinnehmen müssen: „Angst predigen? Rechte Christinnen und Christen in Kirche und Gesellschaft". Abgesehen von der Fokussierung auf „rechte Christinnen und Christen“ stellt dieses Thema m.E. gerade in der heutigen Situation jeden und jede von uns vor die Frage:
Wie halte ich, wie halten wir es mit meiner, unserer eigenen Verkündigung? Predigen wir selbst Angst oder predigen wir Hoffnung? Und weil das eine rhetorische Frage ist: Worin ist die Verkündigung von Hoffnung gegründet? Und auch: Wie kann Hoffnung so geerdet werden, dass sie nicht über die Realität hinweggeht und trotzdem Hoffnung bleibt?
3. Trotz der ausgefallenen Pfingsttagung 2020 haben wir die vorgesehene Verleihung des Karl-Steinbauer-Zeichens an die Seawatch live und mit digitaler Übertragung in der Sebalduskirche vorgenommen und diese Gelegenheit genutzt, uns anschließend wenigstens im Neuen Rat auf der Dachterasse der Löheschule zu begegnen. Im Oktober gab es auch einen Klausurtag in der Löheschule; schön und entlastend, dass unser Geschäftsführer Mark Meinhard uns diesen Treffpunkt ermöglichen kann! Ansonsten haben wir uns via Zoom getroffen, was ich persönlich als älterer Mensch als anstrengend empfinde.
Wie alle wissen, besteht der aktuelle Rat aus denjenigen, die sich 2020 zur Kandidatur bereiterklärt haben; eine ordnungsgemäße Wahl kam nicht zustande, weil es dafür nicht genügend Kandidatinnen und Kandidaten gab.
Insofern arbeitet der Rat samt Senior und Geschäftsführer bis heute nur kommissarisch. Wir würden es als große Erleichterung und auch als Rückhalt empfinden, wenn dieser Schwebezustand heute ein Ende nähme.
4. Was uns im Rat der Schwestern und Brüder abgesehen von Tagungsplanungen sehr bewegt hat, waren die Auseinandersetzungen um den Artikel des Kollegen Dr. Matthias Dreher, der unter dem Titel: „Ein Christ kann ertrinken lassen“ in der Oktoberausgabe des Korrespondenzblattes abgedruckt war.
Wir waren und sind hier doppelt betroffen.
Einmal eben, weil wir vor einem Jahr eben der Sea-Watch das Karl-Steinbauer-Zeichen überreicht haben und uns damit ja auch positioniert haben. Zum anderen, weil sich Matthias Dreher auf einen Artikel unseres Ratsmitgliedes Uli Eckert bezogen hat, der unter der redaktionell gewählten Überschrift „Du sollst nicht ertrinken lassen“ im gleichen Blatt erschienen war und den er im Übrigen auch mit etlichen von uns abgestimmt hat. Matthias Dreher hat sich nach eigener Aussage gerade von dieser Überschrift zu seinem so provozierenden wie folgenschweren Artikel hinreißen lassen; auch hier wurde die Überschrift „Ein Christ kann ertrinken lassen“ redaktionell zugespitzt.
Es ist fast müßig zu fragen, wie sich die Diskussion über den Aufsatz Dr. Drehers entwickelt hätte, wenn die Nürnberger Nachrichten das nicht aufgegriffen und damit einen öffentlichen Shitstorm ausgelöst hätten. Die Konsequenzen für ihn und seine Familie hätte ihm niemand aus unserem Rat gewünscht.
Allerdings muss ich persönlich schon sagen, dass ich die Aussage „Du sollst nicht ertrinken lassen“ sehr wohl als Teil des 5. Gebotes sehe, gerade im Rahmen der meines Erachtens sehr differenzierten und sorgfältigen Darstellung von Uli Eckert in der Juliausgabe letzten Jahres.
Unser Rat hat dann tatsächlich etwas geschafft, was bislang als nicht durchführbar galt, ja als „NoGo“ galt, nämlich in einer intensiven E-Mail-Korrespondenz eine Stellungnahme zum öffentlichen Konflikt für das KorrBl. zu verfassen.
Sie war klar und deutlich in der Sache, hat sich aber gegen die Unversöhnlichkeit gewendet, die bei ethischen Debatten in unserer Zeit immer mehr um sich greift, insbesondere im Blick auf die Unkultur der Shitstorms. M.a.W.: Wir sprechen uns entschieden dagegen aus, wenn Menschen persönlich bedroht und öffentlich fertig gemacht werden, auch wenn wir deren Auffassung genauso entschieden nicht teilen.
5. Was mich darüber hinaus persönlich überrascht hat: Dass die Kontroverse um die sog. Zwei-Reiche-und Regimentenlehre nochmals so hochkocht. Ich hatte eigentlich gedacht, wir hätten deren Interpretation als Zwei-Bereiche-Lehre ein für alle Mal überwunden.
Ausgehend von Barmen 5 gehört es gerade zur DNA der Pfarrbruderschaft, dass wir uns den ethischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit stellen.
Wie das theologisch sachgerecht, also schrift- und zeitgemäß, geschieht, darüber gilt es sich freilich immer neu zu vergewissern. Ich persönlich würde mir eine Klärung darüber wünschen, welche Modelle einer politischen Ethik für Christinnen und Christen in der pluralen Welt heute tatsächlich tragen und wie Barmen 5 heute zu fassen ist.
6. In meinem Adventsbrief habe ich die Frage nach der Zukunft der Demokratie in Staat und Kirche angesprochen. Ich möchte das hier nochmals aufgreifen.
Bei der Bekämpfung der Pandemiefolgen wurde häufig mit Verordnungen regiert, um schnell und effektiv reagieren zu können. Für eine gewisse Zeit war das wohl nötig. Eine solche Form der Machtausübung ist aber für jede Exekutive verführerisch, denn daran kann man sich gewöhnen. Gerade, wenn man für das Gemeinwohl das Beste erreichen will, kann es dazu kommen, dass demokratische Abstimmungsprozesse als allzu mühsam erscheinen und lästig werden. Die Bayerische Pfarrbruderschaft sollte hier m.E. schon von ihren bruderrätlichen Traditionen her aufmerksam sein. Einem grundsätzlichen Misstrauen gegen Verantwortungsträgerinnen und –träger möchte ich damit ausdrücklich nicht das Wort reden.
Speziell in unserem kirchlichen Leitungsgefüge haben wir m.E. das strukturell angelegte Problem, dass einer immer besser ausgestatteten und damit hochprofessionell arbeitenden Exekutive ein letztlich aus Ehrenamtlichen zusammengesetztes Kirchenparlament gegenüber steht. Ich habe die ein oder andere Synodaltagung verfolgt, soweit es meine Zeit erlaubt. Nichts gegen Professionalität, sie ist in unserer Zeit sicher unumgänglich. Aber ich frage: Welcher ehrenamtlich tätige und in der Regel voll beruflich geforderte Mensch kann die Fülle der Vorlagen und Eingaben tatsächlich erfassen und sachgerecht bewerten? Landessynodale haben nun mal keine Abgeordnetenbüros und persönlichen Stäbe, die sie unterstützen, obwohl sie durchaus eine den Landtagsabgeordneten vergleichbare Verantwortung tragen!
Wie hier eine wirklich konstruktive, zielführende Kritik aussehen kann, ist für mich offen, weil die strukturelle Problematik bleibt. Ich habe deshalb im Adventsbrief die theologische Kategorie der Selbstentäußerung der Mächtigen analog des Handelns Christi eingebracht, aber das ist natürlich eine sehr schwache Dimension.
7. Ein letzter Punkt:
Was mich in der letzten Zeit persönlich immer mehr umgetrieben hat, ist die Situation der Kinder, der Jugendlichen und ihrer Eltern in der Pandemie. Es war völlig richtig, diejenigen als erstes zu impfen, die gesundheitlich ein vielfach höheres Risiko tragen als die Jüngeren. Unsere Gesellschaft hat sich hier insgesamt sehr rücksichtsvoll verhalten, gerade auch die junge Generation. Aber die Last ist groß, für die Kinder, die Jugendlichen und im besonderen Maße für die Mütter.
Was ich an den Jugendlichen sehe: Sie packen es einfach nicht mehr, sich zu disziplinieren bzw. dort, wie sie nicht mehr kontrolliert werden können, brechen sie immer mehr aus. Doch es fällt mir sehr schwer, diese Erwägungen in klare Forderungen zu verwandeln, solange der Impfstoff knapp ist und einfach zu viele Gruppen in unserer Gesellschaft runterfallen.
Es könnte nur sein, dass uns die sozialpsychologischen Folgen für die heutigen Kinder und Jugendlichen noch sehr lange beschäftigen werden.
Vielen Dank für’s Zuhören!
Frieder Jehnes
Hinweis: Tagung
Rechtspopulismus und Kirche
Identität und Gemeinschaftserleben im „Christlichen Abendland“
vom 27. bis 29. Oktober 2021
im: Evangelisches Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad