Brief der Seniors -
Ostern 2024

Karl-Steinbauer-Haus, Bamberg, den 22. März 2024

„Die Kirche war da auch wieder einmal schwach.“(1)

Liebe Schwestern und Brüder,

im Augenblick ist das nicht so einfach, Kirche zu sein.

Man muss nicht jede Seite der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen Nr. 6 lesen, um zu wissen, dass die Austrittszahlen hoch sind. Es reicht, im Gemeindepfarramt tätig zu sein. Und wenn man die KMU 6 liest, lernt man, dass eine Mehrheit der Evangelischen der Meinung ist, dass Kirche sich grundlegen ändern muss, und gleichzeitig, dass zwei Drittel der Evangelischen zum Kirchenaustritt neigen. Das ist verwirrend und deprimierend gleichzeitig. Und noch deprimierender ist, dass wir kaum etwas dagegen, dafür oder daneben tun können.

Nur wenn ich dann die KMU zur Seite lege, liegt darunter die ForuM-Studie und hält mir den Spiegel über die Machtstrukturen in unseren Pfarrhäusern und in unserer evangelischen Kirche vor. Ja, gerade in der evangelischen Kirche und vielleicht auch gerade in Bayern. Und der Umgang gerade dieser evangelischen Kirche in Bayern mit der Studie löst bei mir Scham und Kopfschütteln aus.

Im Augenblick ist das nicht so einfach, Kirche zu sein.

Wir sind umzingelt von furchteinflößenden Abkürzungen und dabei habe ich PuK noch gar nicht erwähnt. Wenn mich zu diesem Zeitpunkt junge Menschen fragen würden, ob es sinnvoll sei, Theologie zu studieren – ich weiß nicht, was ich antworten würde. Und das finde ich bedenklich. Vermutlich hätte ich vor Jahren gesagt, dass Kirche vielschichtig ist und du dir als hauptamtliche Person da deine Komfortzone suchen kannst. Egal ob du das als Pfarrer*in, Diakon*in, Lehrer*in oder oder oder tust. Aber die oben genannten Aktualitäten gehen an die Substanz. Vor allem die ForuM-Studie benennt sehr klar, warum unser evangelisch sein als solches schwierig ist oder sein kann. Sollte ich da jungen Menschen raten, hauptamtlich in dieser Kirche zu arbeiten?

Vielleicht ist diese Frage aber auch ein bisschen naiv – ist es Kirche eigentlich jemals gelungen, ihren und meinen hohen Ansprüchen zu genügen? Vermutlich eher nicht, wenn ich an all die Phasen denke, in denen evangelische Kirche abstoßend war. Als sie sich willig Hitler zu Füßen warf oder schon vorher eine Brutstätte des Antisemitismus war. Ich hatte mal einen Vorgänger, der nicht nur munter Konfirmand*innen schlug, wenn sie einen Fehler machten, sondern auch bei schwangeren Bräuten bei einer Trauung das Polster auf der Kniebank wegließ und das Läuten untersagte, damit jeder Depp im Dorf auch wirklich kapierte, dass sie schwanger war.

Muss Kirche eigentlich besser sein als die Welt, in der sie existiert? Ja und nein. Nein, weil sie eben auch in dieser Welt ist und von den Menschen dieser Welt gebaut wird. Aber auch ja, weil sie von etwas weiß, dass anders ist als diese Welt, und sich von daher begründet. Wenn das nicht so wäre, wenn der Geist nicht in ihr wirken würde, würde es mir wahrscheinlich (noch) schwerer fallen, in ihr zu arbeiten.

Kirche zu sein, ist vermutlich niemals einfach. Und trotzdem… wird es doch immer wieder Ostern und noch viel schöner: Pfingsten.


Am Dienstag nach Pfingsten 1934 wurde die Bayerische Pfarrerbruderschaft gegründet. Sie wird also in diesem Jahr 90 Jahre alt. Deswegen schauen wir in diesem Jahr mit einem historischen Thema zurück in die Vergangenheit. Wer nicht in den Rückspiegel schaut, wird blind für die Zukunft, wage ich zu schreiben.

Bewegt von der Sorge um Volk und Kirche“ Innenansichten der Bekennenden Kirche in Bayern.

So lautet das Thema der Pfingsttagung vom 20.05. - 22.05. 2024 in Heilsbronn mit Dr. Karl-Heinz Fix. Als „nicht zerstörte“  Landeskirche ging die Evangelische Kirche in Bayern ihren Weg durch die NS-Zeit. Wie stellte sie sich zur Theologie der Deutschen Christen? Wie einheitlich war die Landeskirche theologisch wirklich? Welche Abwehrmaßnahmen ergriff die Kirche und wie kommunizierte sie unter den Bedingungen der Diktatur? Welche Auswirkungen hat die Zeit bis heute?

Dr. Karl-Heinz Fix ist seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte an der LMU München. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die evangelische Kirche in der NS-Zeit. Alle Informationen zur Anmeldung stehen in der Mail, mit der euch dieser Brief erreicht.

Vermutlich in der April-Ausgabe des Korrespondenzblattes wird ein Artikel unseres Ratsmitgliedes und meines Vorgängers Frieder Jehnes zur Geschichte der Pfarrgeschwisterschaft abgedruckt werden. Der Artikel ist sehr lesenswert und natürlich eine gute Vorbereitung auf unsere Tagung.


Jetzt wünsche ich euch auch im Namen der stellvertretenden Seniorin Julia Illner eine nachdenkliche Karwoche und ein erfüllendes Osterfest.

Ihr/Euer
Thomas Braun


(1) Zitat von Eberhard Busch in einer Sendung des Deutschlandfunks Karl Barth paraphrasierend. https://www.deutschlandfunk.de/das-erbe-des-theologen-karl-barth-kirche-war-wieder-mal-100.html [Abruf 22.3.24]